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                               Le fond de l'air est rouge / A Grin Without a Cat
                                       Scenes From the Third World War 1967-1977

                              Sonntag, 1. August 2004, 20:30, Film beginnt 21:00
                                 Raum 3, Bootlab, Ziegelstrasse 20, Berlin-Mitte
                                   U Oranienburger Tor / S Oranienburger Strasse
                                  Eintritt frei, Getränke billig, CDs mitbringen

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Nachdem wir vor zwei Wochen einen Dokumentarfilm gezeigt haben, über den man
geteilter Meinung sein kann (siehe auch unten), folgt jetzt einer, gegen den
auch beim besten Willen keine Einwände möglich sind.

Chris Markers "Le fond de l'air est rouge" stammt aus einer Zeit, in der noch
nicht in Frage stand, ob Dokumentarfilme Partei ergreifen dürfen, und in der
noch keine Heerscharen von Journalisten im Kino jede Halb- und Unwahrheit
notierten. Der Film blickt von 1977 aus auf die 1968 ausgebliebene Revolution
zurück und folgt dabei bereits jener Regel, die Marker erst ein paar Jahre
später explizit formuliert hat: Bilder nämlich Bilder sein zu lassen, statt sie
als transportable Form einer Wahrheit, die nichts mehr zu bedeuten hat, durch
die Weltgeschichte zu zerren.

Falls Ihnen weder der Film noch sein Regisseur bekannt sind, dann denken Sie
vielleicht einfach an "Deutschland im Herbst", nur eben ohne Deutschland und
ohne Herbst (und sicher auch ohne Kluge und Schlöndorff). "Frankreich im Mai"
würde Markers Unternehmung allerdings auch nicht gerecht. Wenn Sie unter
imdb.com nachschlagen, stossen Sie auf einen amerikanischen Studenten, der
mokiert, es sei "not at all clear what the director's point of view is". Am
besten sehen Sie sich den Ausschnitt an, den wir für Sie vorbereitet haben
(http://bootlab.org/piratecinema/cat.mov). Der Film ist wirklich *sehr* gut.

Ihrer Aufgabe, Werke wie "Le fond de l'air est rouge" angemessen zu verbreiten,
kommen Fernsehen und Kino leider nur unzureichend nach. Anscheinend genau dafür
haben wir allerdings das Internet, aus dem wir die englischsprachige, lesbar
untertitelte und auch ansonsten sehr passable Kopie, die wir am Sonntag zeigen
werden, für Sie heruntergeladen haben. Marker hat den Film 1993 noch einmal neu
geschnitten, seitdem heisst er "A Grin Without a Cat" und dauert nur noch drei
Stunden (ursprünglich vier). Das ist immer noch lang, weswegen Sie, falls sie
ihn mit nach Hause nehmen möchten, diesmal nicht zwei, sondern drei leere CDs
mitbringen sollten.

Bis Sonntag,
Ihr Kino

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/*
    Dass wir das alles nur machen, um unsere Sofas in die Zeitung zu bekommen,
    dürfte sich ja mittlerweile herumgesprochen haben. Diesmal hat es sich -
    von "zwischen Spree und Straßenstrich" mal ganz abgesehen - wirklich
    gelohnt: "Ausrangierte Sofas" (Telepolis). Bisher hatten wir: "Abgewetzte
    Sofas" (Welt), "alte Ledersofas" (Berliner Morgenpost), "schmuddelige
    Sofas" (taz), "braune Polstermöbel" (Spiegel) und "staubige Samtsofas"
    (FAZ).
*/

Telepolis

Verschwörerisches Flüsterkino mit versteckten Lautsprechern

Katja Schmid   22.07.2004

In Berlin fand heimlich, still und auch noch ziemlich leise die Europapremiere
von Michael Moores Dokumentarfilm "Fahrenheit 9/11" statt

Berlin, Sonntag abend. Von Norden her kommend zieht ein Gewitter über die Stadt.
Überall flüchten leichtbekleidete Menschen in U-Bahn-Schächte und Hauseingänge.
Alle haben es eilig. Da fällt kaum auf, dass irgendwo in Berlin Mitte, zwischen
Spree und Straßenstrich, ungewöhnlich viele Leute in einem extrem unscheinbaren
Haus verschwinden. Der Andrang ist jedoch kein Zufall. Schließlich soll hier die
"Europapremiere" von Michael Moores skandalumwitterten Film "Fahrenheit 9/11"
stattfinden.

Das Etikett "Europapremiere" ist natürlich übertrieben. Schließlich war der Film
auf europäischem Boden erstmals beim diesjährigen Filmfestival in Cannes (Reise
von der Hölle in den Himmel - und zurück) zu sehen, wo er - als erster
Dokumentarfilm seit 1956 - mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Es war
noch nicht mal die offizielle Deutschlandpremiere, denn im Kino ist der Film
erst vom 29. Juli an zu sehen. Präsentiert wurde auch keine 35mm-Kopie, sondern
ein Direkt-Mitschnitt einer Kinoaufführung, in Bootleg-Kreisen auch "Screener"
genannt - und zwar ausgerechnet vom Filmfestival in Cannes. Diese Kopie
zirkuliert seit Wochen im Web und kann, das entsprechende Equipment und die
Software vorausgesetzt, als Bit-Torrent-Kopie runtergeladen werden.

Für den Regisseur sind diese Downloads kein Problem, solange niemand daran
verdient. Schließlich habe er diesen Film nicht gedreht, um damit reich zu
werden - das ist er bereits. Seine Verleihfirma in den Vereinigten Staaten und
der amerikanische Verband der Filmindustrie haben jedoch eine andere Haltung zum
Thema Geld und sehen jede Art von Raubkopie mit großer Sorge [1]. Was der für
Deutschland zuständige schweizer Verleih [2] von den Downloads und deren
Vorführung hält, war bis Redaktionsschluss leider nicht zu erfahren, weil der
zuständige Sprecher aktuell im Urlaub ist.

Was Michael Moore angeht, so dürfen sich die Berliner Veranstalter seiner
Zustimmung gewiss sein, schließlich war der Eintritt frei. Und wer eine Kopie
des Downloads wollte, konnte vor Beginn der Vorführung zwei Leer-CD-Rs am
Brenntisch abgeben und hinterher bespielt einsammeln. Sowohl für die
Veranstalter als auch für die Mehrzahl der Besucher war die Vorführung in erster
Linie ein Happening. Und das war auch gut so, denn als Kino-Ersatz taugen
Screener in der Regel nicht. Auch in diesem Fall ließen Ton- und Bildqualität zu
wünschen übrig. Freimütig benannten die Veranstalter unmittelbar vor Beginn der
Vorführung die Mängel der Bit-Torrent-Kopie: Wer auch immer die Leinwand in
Cannes abgefilmt habe, sei offensichtlich nicht ganz in der Mitte des Kinosaals
gesessen und habe kein separates Mikrophon dabei gehabt. Außerdem fehle in der
Mitte des Films etwa eine Minute, weil der Bootlegger das Tape wechseln musste.
Betroffen ist die Szene, in der Michael Moore durch New York City fährt und aus
dem "Patriot Act" vorliest.

Und wenn der unbekannte Videofilmer mal aufs WC gemusst hätte?

Die fehlende Zentralperspektive wäre ja noch zu verschmerzen gewesen, doch
hätten dem miserablen Ton ein paar ordentliche Lautsprecher gut getan. Leider
waren die potenten Boxen gerade verliehen, also behalf man sich mit ein paar
mickrigen Exemplaren, die allesamt im hinteren Teil des Saals versteckt waren.
Die Folge: in den vorderen Reihen übertönte das Knarzen der ausrangierten Sofas
die Ex-Kontrahenten Bush und Gore. Trotzdem verließen nur wenige Besucher
vorzeitig den Saal. Überhaupt war das Publikum sehr leidensstark. Mehr schlecht
als recht hatten sich die rund einhundert Besucher auf Kisten, Sofas und
halblebigen Stühlen aller Art verteilt, einige saßen auf dem blanken Boden,
andere lehnten an der Wand und verrenkten sich die Hälse.

Gezeigt wurde der Film in den Räumen von Bootlab [3], einem losen
Zusammenschluss von kreativen Köpfen, die die unterschiedlichsten Projekte
betreuen. Bevor es losging, wiesen die Veranstalter noch einmal ausdrücklich
darauf hin, dass Michael Moore persönlich die Downloads befürwortet habe.
Allerdings wären sie sich nicht ganz sicher, ob das Okay auch für eine quasi
öffentliche Vorführung gelte. Um sich etwas Mut zu machen, sagte Sebastian
Lütgert von der Kinogruppe deshalb: "We are brave. We are just following
orders." (Mit Rücksicht auf die englischsprachigen Gäste im Saal wurde englisch
gesprochen.) Und weil Moore mit seiner Doku eine Wiederwahl von George W. Bush
verhindern will, lagen an der Bar Antragsformulare für die Briefwahl aus - damit
sich die anwesenden "Ex-Pats" gleich nach der Vorführung registrieren lassen
konnten.

Legale Vorführungen hatten nicht so viele Interessanten angelockt

Michael Moores Doku war nicht der erste Film, den die Kinogruppe von Bootlab
vorgeführt hat, allerdings sei es die erste Raubkopie gewesen. Nie zuvor waren
so viele Schaulustige gekommen, und das, obwohl die Einladung quasi nur durch
Mundpropaganda verbreitet wurde. Die Gastgeber können sich durchaus vorstellen,
eine ganze Reihe zum Thema "Piraterie" zu machen. Schließlich handle es sich um
ein allgemein verbreitetes Phänomen, zu dem es viele interessante Film gebe.
Filme, die durchaus nicht alle in Form von Raubkopien vorliegen und die man auch
nicht grundsätzlich als solche vorführen wolle. Aber wenn es sich vom Thema her
anbiete - warum nicht? Den Film von Michael Moore als Download zu zeigen, sei
angesichts der lebhaften Debatte um den Film und die Verleihrechte "einfach
naheliegend" gewesen. Außerdem ist Lütgert fest davon überzeugt, dass solche
Aktionen "eher publicityfördernd" sind; denn wer sich für Filme begeistert, der
geht auch ins Kino. Es sei denn, man hat eine Schwäche für eine verzerrte Optik
und unverständliche O-Töne.

Links

[1] http://www.sundayherald.com/43167
[2] http://www.falcom.ch
[3] http://www.bootlab.org

Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/kino/17919/1.html

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