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<-- back Vorfilm: Schütze deine Linke (Soigne ton gauche) von René Clément, mit Jacques Tati 1936, 12 min, 167886848 bytes Hauptfilm: Schütze deine Rechte (Soigne ta droite) von Jean-Luc Godard, mit Jane Birkin und Les Rita Mitsouko 1987, 81 min, 947320832 bytes Sonntag, 20. Februar 2005, 21:00 Uhr Pirate Cinema Berlin, Ziegelstrasse 20 S Oranienburger Strasse, U Oranienburger Tor Free entry Cheap drinks Bring a blank DVD -------------------------------------------------------------------------------- Das Einzige, was wir von der Berlinale gesehen haben, war eine am Hackeschen Markt geparkte dunkle Limousine mit der Aufschrift "Cinema for Peace". Was natürlich gelogen ist, denn seit der Verbindung von Computern mit dem Internet ist das Kino - ausser einigen völlig marginalen Kinos - ja Kino für den Krieg. Dieser "Krieg gegen Piraterie" ist zuallererst ein Krieg gegen die eigene Kundschaft und wird als solcher auch beworben. Sich selbst von hinten, entweder, "Raubkopierer sind Verbrecher", nach der Verhaftung in Handschellen oder, "hart aber gerecht", kurz vor der Vergewaltigung durch zwei Mitgefangene, sieht jeder, der ein Kino oder eine Videothek betritt, und zusätzlich noch mit einer mobilen Gefängniszelle auf Werbetour zu gehen, ist eine Marketingidee, die selbst der Waffenindustrie noch nicht gekommen ist. Dann ist der "Krieg gegen Piraterie" auch ein Krieg gegen die eigenen Angestellten, diese angebliche Arbeiterklasse des "Geistigen Eigentums", verkörpert durch den Toningenieur, der seine Krankenversicherung, oder die Kameraassistentin, die die Raten ihrer für das Studium aufgenommenen Kredite nicht bezahlen kann, und das nicht etwa, weil ihnen das Eigentum an den Produktionsmitteln vorenthalten wird, die weltweite Standortkonkurrenz ihr Einkommen drückt oder Versicherungs- und Kreditwesen aus ihrer Verschuldung ein Geschäft gemacht haben, sondern einzig und allein - die Ideologiekritik würde an dieser Stelle den Begriff der Traumfabrik bemühen - wegen der Verbindung von Computern mit dem Internet. Vor allem aber ist der "Krieg gegen Piraterie" ein Krieg gegen die Revolution: die französische, die eine Generalisierung der individuellen Rechte, und die digitale, die eine Generalisierung des individuellen Datenaustauschs durchgesetzt hat. Was das Kino - mit Ausnahme des französischen und des digitalen - durchsetzen will, ist die Rücknahme dieser Rechte und die Rücknahme des Tauschs. Ein Verbrecher ist seitdem nicht nur, wer den Kopierschutz einer DVD umgeht oder eine Videokamera mit ins Kino nimmt - auf beides stehen in den USA mittlerweile Gefängnisstrafen, die die für Totschlag übertreffen - sondern jeder, der auf der technologischen Basisbanalität beharrt, dass digitale Daten sich kopieren lassen und alles, was zu sehen ist, auch reproduziert werden kann. Doch statt, was einfach wäre, auf die Bilder zu verzichten, zeigt uns das Kino seine vermeintlichen Rechte: generalisierte Copyrights, die nie mehr erlöschen und die es, statt bloss wahrzunehmen, digital zu managen droht. Denn die Enteignung der Leute, so der Traum des Kinos, muss, um irreversibel zu bleiben, nicht nur juristisch vollzogen, sondern technisch implementiert werden - ein Krieg, den Orwell sich nicht einmal im Ansatz und sogar Kafka sich nur zur Hälfe hat vorstellen können, und von dem noch die geringste Ahnung im Nebel von Public Relations und Fahrbereitschaften (es war übrigens ein Phaeton: die einzige Luxuslimousine der Welt, die nach einem Sohn benannt ist, der Vaters Wagen zu Schrott gefahren hat) zu zerstreuen das Programm der Berlinale ist. Das Kino des 21. Jahrhunderts ist so sehr "für den Frieden" wie die Drogenfahndung oder die Antiterrorpolizei, und das "Pirate Cinema" betreiben wir, um vor diesem Kino unsere Rechte zu schützen. Es ist gegen Ende des 20. Jahrhunderts, als beim Idioten das Telefon klingelt. Er hat gerade seine Arbeit beendet und will einen jener ungestörten Abende verbringen, wie sie in einigen abgelegenen Gegenden Europas noch möglich sind, etwa auf halber Strecke zwischen den Wäldern Süddeutschlands und den Seen Norditaliens. In diesem Moment, genau in diesem Moment, klingelt das Telefon. Die Stimme ist fremd und höflich, aber bestimmt. Man sei bereit, dem Idioten seine zahlreichen Sünden zu vergeben, aber er müsse sich beeilen: eine Geschichte erfinden, sie filmen und die Kopie bis zum späten Nachmittag in der Hauptstadt abliefern. Der Film müsse noch am selben Abend in den Vertrieb gehen. Ein Wagen werde im Tal auf ihn warten, und ein Ticket am Flughafen. Unter diesen Bedingungen, und nur unter diesen Bedingungen, werde man dem Idioten vergeben. Wir sind keine Freunde des Alten Europa, und so haben Sie sicher gleich gemerkt, dass der letzte Absatz nicht von uns stammt, sondern von Godard. So beginnt nämlich sein Film, bei dem es sich zugleich um eine Komödie, was selten ist bei Godard, und um eine Kritik der Filmindustrie, was häufiger vorkommt, handelt, und dessen Titel weder im Französischen ("Soigne ta droite") noch im Englischen ("Keep Up Your Right") jene Doppeldeutigkeit besitzt, die erst im Deutschen ("Schütze deine Rechte") durchkommt und die Godard wohl intendiert hat, denn es geht nicht, wie in "Schütze deine Linke", den Godard wohl zitiert und den wir vorneweg zeigen werden, ums Boxen, sondern ums Filmemachen. Den Idioten spielt er selbst, und das kommt auch hin, denn schon die erste Szene zeigt, dass dieser nicht nur das Neue Europa und dessen amerikanisches Kino, sondern - wie, komischerweise, fast alle französischen Intellektuellen von 1968 - auch das Neue Tennis und die Neuen Sportwagen verachtet. Verallgemeinert lautet Godards These, von der, seit "Schütze deine Rechte", jeder seiner Filme ausgeht, die Geschichte des Kinos sei zuende: das Kino sei tot, liege im Sterben, befinde sich in der Krise. Doch was tot ist - das ist jetzt unsere These, ursprünglich entwickelt am Beispiel der Musikindustrie - verschwindet nicht, sondern stirbt jahrzehntelang, getrieben nur noch von dem Wunsch, so viel mit in den Tod zu reissen wie nur irgend möglich. Bis wir die Zeit gefunden haben, das genauer auszuführen, halten Sie sich vielleicht einfach an das folgende Schema: Fernsehen - tote Zeit, Computer - lebendige Zeit, Kino - die Zeit der lebenden Toten. Das klingt jetzt etwas pathetisch, aber es ist ja vermutlich klar, worauf wir hinauswollen. -------------------------------------------------------------------------------- () >< schütze deine rechte www.piratecinema.org <-- back |