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<-- back () >< Die Freunde des Kinos von Philippe Garrel zeigen in Zusammenarbeit mit den Freunden der Filmmusik von John Cale und mit freundlicher Unterstützung der Freunde des heruntergeladenen Films -------------------------------------------------------------------------------- La naissance de l'amour (Philippe Garrel) Frankreich 1993, 90 min, 236102494 bytes französisch mit englischen Untertiteln Sonntag, 12. Juni 2005, 21:00 Uhr Pirate Cinema Berlin, Ziegelstrasse 20 S Oranienburger Strasse, U Oranienburger Tor free entry cheap drinks bring a blank cd -------------------------------------------------------------------------------- Irgendwo da draussen, in den Weiten der Internets, gibt es eine Person, die ihre Video-Cassetten-Sammlung seltener französischer Filme (Godard, Gorin, Garrel usw.) als Windows Media Files encodiert. Das muss man sich in etwa so vorstellen, als hätten die Herausgeber des weltweit einzigen Raubdrucks von "Geschichte und Klassenbewusstsein" sich für Frakturschrift entschieden, und veranschaulicht, wie ahnungslos selbst die Freunde des politischen Kinos gemeinhin der Politik der Technologien gegenüberstehen. Andererseits haben wir Ende November letzten Jahres, beim Screening von "Vladimir et Rosa" der Groupe Dziga Vertov (http://piratecinema.org/screenings/20041128), offensichtlich aus der gleichen Quelle, sehen können, welchen fantastischen Effekt die miese Digitalisierung alter Videokopien von vergriffenen Filmen haben kann: Zwischen die Bilder und ihre Betrachter tritt ein Videofilter, der Konzepten wie "Patina", "Sepia", "35mm Noise" oder ähnlichem, überall als Plug-In bereits vorinstalliertem Kitsch diametral entgegengesetzt ist, weil er tatsächliche Spuren jener Armut des Gebrauchs, den das Kino vom Reichtum der technischen Möglichkeiten macht, sichtbar werden lässt. Damit erfüllt unser unbekannter Video-Digitalisateur - über den Umweg des Windows Media Formats - nicht nur die Forderung von Chris Marker, das Kino solle Bilder produzieren, die zeigen was sie sind, nämlich Bilder, und nicht die transportable Form einer historischen oder kinematographischen Wahrheit, die sich, unabhängig von den Verbrechen der Filmindustrie, jahrzehntelang völlig unbeschadet von Off-Kino zu Off-Kino weiterreichen liesse (Freunde von Chris Markers "Sans Soleil", die "Vladimir et Rosa" bei uns gesehen haben, werden sich unweigerlich an die Bilder aus der "Zone" erinnert haben), sondern übertrifft zugleich noch das Programm von Godard und Gorin, demzufolge das Kino zuallererst (wie z.B. zu Beginn von "Tout va bien") seine Produktionsbedingungen zeigen solle - indem er, allem Anschein nach aus reiner Ignoranz, die erste Garrel-Kopie aller Zeiten hergestellt hat, die ihre eigenen Distributionsbedingungen sichtbar macht. Wovon Pirate Cinema nämlich handelt, sind genau diese Distributionsbedingungen, und was wir betreiben, ist ja kein Kino, sondern eher eine Archäologie des Kinos - die ausreichend autonom ist, um nicht in Restauration zu verfallen, und die über genügend Geduld und Bandbreite verfügt, um - eigentlich ja ganz einfach - Frame für Frame zeigen zu können, was von der Filmgeschichte bleibt. Erst wenn das letzte Programmkino geschlossen, die letzte 35mm-Kopie verschollen und der letzte Rechteinhaber unbekannt verzogen ist, werdet ihr merken, dass... naja: dass Windows Media Files vielleicht doch keine ganz so tolle Idee waren. Soviel zur "Bildqualität". Durch die Tonspur geistert, allerdings nur ganz leise, ganz hinten und ganz oben, ein Schwarm leicht metallisch klingender Artefakte; der Soundtrack stammt allerdings von John Cale, was an sich schon Grund genug sein sollte, am Sonntag vorbeizukommen. Was die Geschichte betrifft, so haben wir es mit einem doppelten Beziehungsdrama mit gelegentlichen Reflexionsschlaufen über Tagespolitik und Revolution zu tun. Zum Beispiel: (Fernsehen, Krieg) - "Lenin hatte recht!" - "Hä?" - (mehr Fernsehen, mehr Krieg) - "Lenin hatte schon wieder recht" - "Ich hab keine Ahnung, wovon du redest..." Für alle die, denen das nicht reicht, haben wir noch die Review aus der B.Z. von vor 10 Jahren ausgegraben (erstaunlicherweise die einzige deutschsprachige Publikation, die überhaupt eine Besprechung von Garrels Film ins Netz gestellt hat). Besondere Beachtung verdient, neben "Gefühle werden totgedacht" (welch ein Horror für die B.Z.: die genaue Umkehrung ihres eigenen Programms!) und dem "melancholisch grobkörnigen Schwarzweiß" (wie oben bereits angedeutet: kommen Sie bloss nicht in Erwartung einer melancholischen Körnung!), der Satz "schauen Sie sich diesen Film lieber in Erdgeschoß-Kinos an" - denn das Pirate Cinema liegst ja tatsächlich nur zwei Treppenstufen über Normalnull und ohnehin in einer Strasse, die bei genauerem Hinsehen eher eine Senke ist. Mal ganz davon abgesehen, dass, hätten Garrels Filme wirklich die von der B.Z. halluzinierte Qualität, ihre Betrachter in den Selbstmord zu treiben, es kaum einen besseren Ort gäbe als die Brücke zum Bode-Museum, in nicht mal 100 Meter Entfernung. -------------------------------------------------------------------------------- Wenn Männer zu sehr reden, wird die Liebe totgedacht Eigentlich bräuchte "Die Geburt der Liebe", der neue Film von Philippe Garrel, einen Beipackzettel: Wenn Sie unter Depressionen leiden, vor kurzem verlassen wurden oder ganz unglücklich verliebt sind, dann gehen Sie bitte nicht in diesen Film. Denn der gibt Ihnen den Rest. Hier geht es nur um eins: Angst vor Nähe und Beziehung und die Unmöglichkeit einer glücklichen Liebe. Im Mittelpunkt stehen die beiden Freunde Paul (Lou Castel) und Marcus (Jean-Pierre Léaud): Paul verläßt wegen Ulrika (Johanna Ter Steege) seine Frau Fanchon (Marie-Paule Laval). Marcus hingegen wird von Ehefrau Hélène (Dominique Raymond) verlassen. Gemeinsam sinnen sie über ihr Leben und ihre Lieben. Selbstquälend und zerstörerisch. Bei beiden regiert der Kopf. Gefühle werden "totgedacht". Gedreht in melancholisch grobkörnigem Schwarzweiß, mit einer Kameraführung (von Star-Cinematograph Raoul Coutard), die langsam die Köpfe der Schauspieler einfängt, sie einschließt, als wollte sie sagen: Es gibt kein Entrinnen, die Lage der Gefühle ist aussichtslos. Männer und Frauen werden nie wirklich zusammenfinden. Wenn dann die ruhige, tragende Musik (John Cale) einsetzt, klammern sich weniger gefestigte Gemüter an die Sitzlehne, um nicht aus Verzweiflung aus dem nächsten Fenster zu springen (schauen Sie sich diesen Film lieber in Erdgeschoß-Kinos an). Regisseur Garrel hat mit Sicherheit ein großes Problem, das Gute daran ist, daß er sehr ästhetische Filme daraus macht. Jenseits von Hollywood, am Abgrund der Gefühle. -------------------------------------------------------------------------------- Als Nachfilm zeigen wir, wie schon in den letzten beiden Wochen, "Sin City" von Robert Rodriguez, in z.T. ziemlich variabler Framerate und mit Musik von KLF. -------------------------------------------------------------------------------- () >< pirate cinema berlin www.piratecinema.org <-- back |