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<-- back Sunday, April 1, 8 pm Pirate Cinema Berlin Tucholskystr 6, 2nd floor Happiness Aleksandr Medvedkin 1932, 64 min, 966 MB The Last Bolshevik Chris Marker 1992, 116 min, 1.36 GB Free entry Cheap drinks Copies to go -------------------------------------------------------------------------------- Das letzte Bild, um einmal ganz am Ende zu beginnen, von Chris Markers Film über Medvedkin, bei dem es sich - wie wir bereits angemerkt hatten, als wir ihn, vor mehr als zwei Jahren, siehe www.piratecinema.org/screenings/20041205, zum ersten Mal gezeigt hatten - weniger um ein Portrait von Medvedkin als vielmehr um eine mögliche Geschichte des 20. Jahrhunderts, erzählt als Geschichte des russischen Kinos, handelt, ist vermutlich eins der überraschendsten letzten Bilder, die ein Film überhaupt haben kann: nachdem Chris Marker nämlich, fast zwei Stunden lang, den Erzählungen von Medvedkins Freunden und Kollegen gefolgt ist - den Berichten der jüngeren von ihrer ersten Begegnung mit Medvedkins Film "Happiness" ("An der Filmhochschule hatten wir nie von Medvedkin gehört, und 'Happiness' hatte nichts mit unserer Idee vom russischen Film der 30er Jahre gemein. Es war ein Schock - und zwei Dinge waren uns sofort klar: dass Medvedkin ein Genie gewesen sein und dass er wegen dieses Films erschossen worden sein musste.") und den Erinnerungen der älteren an eine Zeit, in der das Kino noch eine neue Kunstform war ("Es war, als hätte ein riesige Welle, ein gigantischer Strom die gesamte Gesellschaft mit sich gerissen.") und die Sowjetunion noch ein Staat mit einer Zukunft ("Das mag sich zwar seltsam anhören, aber er ist gerade noch rechtzeitig gestorben. Er war Kommunist. Die ersten Anfänge der Perestroika hat er noch im Fernsehen gesehen, da war er glücklich, er sagte, das sei inspiriert von seinen Filmen. Wenn er die Resultate noch hätte sehen müssen, er wäre entsetzt gewesen.") - und zum Schluss die Denkmäler Lenins und Stalins demontiert werden und drumherum das mit seiner zaristischen Geschichte wiedervereinigte russische Volk zu Volksmusik Volkstänze tanzt, während Yakov Tolchan, Dziga Vertovs Kameramann und Freund von Medvedkin, der zuvor gemeint hatte, man lebe zwar in schmutzigen Zeiten, doch da in zwanzig oder dreissig Jahren wieder bessere kommen könnten, würde es sich lohnen, seine Erinnerungen für spätere Generationen aufzubewahren, Marker um einen Moment Ruhe bittet, um Musik hören zu können, sagt der Erzähler: "Ich weiss, was der Begriff wäre, der vielen in den Sinn kommen würde bei diesen alten Männern: Dinosaurier. Aber wie ist es den Dinosauriern ergangen?", und dann einer der besten Schnitte, die jemals jemand im Genre des historischen Dokumentarfilms gemacht hat: "Kinder lieben sie." - und wir sehen ein russisches Mädchen, das, wozu es in die Kamera von Chris Marker lächelt, einen grossen, grünen Plastikdinosaurier im Arm hält. Medvedkins "Happiness" ist in der Tat, auch nach fünfundsiebzig Jahren noch, ein ziemlich umwerfender Film, der Moment, in dem Medvedkin noch sehr viel mehr war als bloss - das ist der Ehrentitel, der ihm, nicht ganz ohne Grund, immer wieder verliehen worden ist - der russische Chaplin: nämlich Avantgarde-Filmemacher im Dienst der gesellschaftlichen wie cinematografischen Revolution und gleichzeitig Propagandist eines volkstümlichen, autoritätsfeindlichen, eskapistisch-absurden Humors, von dem gesagt wird, er ginge vor allem zurück auf seine Begegnungen mit der Landbevölkerung, zu der Zeit, als er mit dem Kino-Zug - eine der seltsamsten Maschinen der Kinogeschichte: zugleich Filmstudio, Schnittplatz und Vorführraum, ein Fortbewegungsmittel, dessen Passagiere sich so weit an der vordersten Front des technischen Fortschritts wussten wie dreissig Jahre später die Kosmonauten - durch die Sowjetunion fuhr; ein Film, der zur Geschichte des Kinos nicht allein eine Reihe ziemlich einzigartiger Bilder beigetragen hat - das Bild des Pferdes, das auf dem Dach grast, später das Bild des Hauses, das durch die Steppe läuft - sondern auch eine so vernichtende wie bizarre (selbst bei Buñuel trugen 1932 die Nonnen noch keine durchsichtigen Blusen) Karikatur der zaristischen Pfaffen und Soldaten - und was Chris Marker sechzig Jahre später in den Strassen von Moskau gefilmt hat, sind, so wie sie zu diesem Zeitpunkt überall in Russland wieder aus ihren Gräbern hervorgekrochen kamen, genau dieselben Charaktere, den Figuren von Medvedkin mitunter wie aus dem Gesicht geschnitten, fast genauso kostümiert und in derselben Mission unterwegs, umgeben von den Russen von 1992. Was das letzte Bild macht, ist, dieses von Wiedergängern der Geschichte bevölkerte Szenario auf eine völlig andere Zukunft hin zu öffnen: Jurassic Park, Hollywood, den Westen - was schon mal besser ist als gar nichts, und mehr, als anderen eingefallen ist. Dass beide Filme keinen nennenswerten Vertrieb haben, versteht sich von selbst. -------------------------------------------------------------------------------- () >< pirate cinema berlin www.piratecinema.org <-- back |